Vertretung in der Strafvollstreckung– Halbstrafe - Ein Beispiel aus der Praxis
- Ramon Thal
- 27. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit

Im deutschen Strafrecht gibt es, je nach Verlauf der Haftzeit und dem Verhalten des Verurteilten, rechtliche Möglichkeiten, die Strafzeit in der Haftanstalt zu verkürzen. Ein besonders wichtiges Instrument ist die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 2 StGB. Dieser Paragraf erlaubt es, unter bestimmten Voraussetzungen, die Haftstrafe nach der Verbüßung Ablauf der Hälfte der Strafzeit auszusetzen und dem Verurteilten eine Bewährungszeit zu gewähren. Im Folgenden erläutern wir anhand eines Falles aus der Kanzleipraxis, wie dies in der Realität funktionieren kann.
Der Fall:
Unser Mandant wurde im November 2020 wegen Drogenhandels zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Strafende wäre im August 2027 erreicht worden. Während der ersten Jahre seiner Haftzeit bemühte sich unser Mandant, den Haftalltag so gut wie möglich zu bewältigen. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung rückte Ende 2023 in den Fokus, als er sich an uns wandte, um sich über die Halbstrafenregelung nach § 57 Abs. 2 StGB beraten zu lassen.
Gemäß § 57 Abs. 2 StGB kann eine Freiheitsstrafe, die länger als zwei Jahre dauert, zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die Hälfte der Strafe verbüßt ist. Voraussetzung dafür ist, dass:
Der Verurteilte keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr darstellt.
Die Strafe ausreichend für die Bestrafung und Abschreckung ist.
Der Verurteilte während der Haft eine positive Entwicklung gezeigt hat, insbesondere durch die Teilnahme an Resozialisierungsmaßnahmen oder durch das Unterlassen von Fehlverhalten.
Die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung wird immer individuell getroffen und erfordert eine gründliche Prüfung des Einzelfalls.
Die Strategie:
Nachdem wir den Fall unseres Mandanten sorgfältig geprüft hatten, stellte sich heraus, dass er die Voraussetzungen für eine Entlassung nach der Halbstrafenregelung erfüllen könnte. Seine Strafe betrug sechs Jahre und neun Monate, womit die Hälfte der Strafe im Oktober 2024 erreicht wäre. Nun galt es, das Gericht davon zu überzeugen, dass eine frühzeitige Entlassung gerechtfertigt war.
Wir begannen mit der Zusammenstellung aller relevanten Dokumente, die für den Antrag auf Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich waren. Hierbei konzentrierten wir uns vor allem auf:
Das Verhalten unseres Mandanten während der Haft: Unser Mandant hatte an mehreren Resozialisierungsprogrammen teilgenommen und sich in der Gefängnisgemeinschaft positiv verhalten.
Nachweise über seine zukünftige soziale Eingliederung: Die Unterstützung durch seine Familie, die ihm eine feste Wohnmöglichkeit und berufliche Perspektiven nach der Haft bot, war ein entscheidender Faktor.
Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt: Diese zeigten, dass keine Hinweise auf eine weitere Straffälligkeit unseres Mandanten vorlagen und er sich gut in den Vollzugsalltag eingefügt hatte.
Außerdem konnte strategisch erreicht werden, dass die JVA die notwendigen Zwischenschritte und Lockerungen durchführte.
Der Prozess der Entscheidung
Die Monate nach der Auftragserteilung waren für unseren Mandanten von Unsicherheit geprägt. Es mussten Lockerungen durchgeführt und erprobt werden und die Überprüfung der Kontaktpersonen stand noch aus. Das Gericht musste prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 57 Abs. 2 StGB erfüllt waren und ob eine frühzeitige Entlassung im Einklang mit den Zielen des Strafvollzugs stand.
Ein wichtiger Bestandteil des Verfahrens war das sogenannte Vollzugsplanverfahren. Hierbei erstellte die Justizvollzugsanstalt Berichte über das Verhalten und die Entwicklung unseres Mandanten. Zusätzlich wurde ein Gutachten über die Sozialprognose eingeholt, um zu bewerten, ob unser Mandant in der Lage ist, sich nach seiner Entlassung wieder in die Gesellschaft einzugliedern und ein straffreies Leben zu führen.
Der Erfolg: Strafaussetzung zur Bewährung
Im September 2024 kam schließlich die Entscheidung: Das Gericht bewilligte die Strafaussetzung zur Bewährung und unser Mandant aller Voraussicht nach, nach vier Jahren Haft im Oktober 2024 entlassen. Er wird nun den Rest seiner Strafe auf Bewährung verbringen, wobei er sich an strenge Auflagen halten muss.
Die Entscheidung basierte auf mehreren Faktoren, die für eine erfolgreiche Strafaussetzung zur Bewährung entscheidend sind:
Positives Verhalten während der Haft: Unser Mandant hatte die Chancen, die ihm innerhalb der Justizvollzugsanstalt geboten wurden, genutzt und sich aktiv um seine Resozialisierung bemüht.
Keine Gefahr für die Allgemeinheit: Durch das Verhalten während des Vollzuges und einer umfangreichen Auswertung der Berichte, sowie durch Erprobungen während Lockerungen konnten wir in enger Zusammenarbeit nachweisen, dass von ihm keine weitere Straftat zu erwarten ist.
Stabile soziale Strukturen: Die Unterstützung durch seine Familie und die Perspektiven für ein Leben außerhalb der Haft spielten ebenfalls eine zentrale Rolle in der Entscheidung des Gerichts.
Fazit: Die Bedeutung einer guten Rechtsvertretung im Strafvollzug
Dieser Fall zeigt, wie wichtig eine sorgfältige und strategische rechtliche Vertretung während des Strafvollzugs ist. Die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 2 StGB ist ein mächtiges Instrument, das unter den richtigen Umständen den Weg in die Freiheit früher öffnen kann. Es erfordert jedoch eine gründliche Vorbereitung und die Zusammenarbeit zwischen Anwalt, Mandant und Justizvollzugsanstalt.
Wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld sich in einer ähnlichen Situation befinden, kann eine rechtliche Beratung helfen, die Optionen zu prüfen und die bestmögliche Strategie zu entwickeln.



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